
Der Unabhängigkeitstag
Kurz nach dem Mittelalter besiedelten Spanier den iboamerikanischen Kontinent. Etwa 300 Jahre später geschah dann etwas Ähnliches, wie in den USA: Es gab eine Auflehnung gegen die spanische Kolonialmacht und Mexiko wurde unabhängig. In Amerika ist es der 4. Juli, in Mexiko der 16. September. Heute.
Zu diesem Anlass wurde ich von einem Kumpel aus der Uni über das Wochenende eingeladen mit ihm in seine Heimatstadt zu fahren. Ich freute mich darüber sehr, denn mit anderen Austauschstudenten aus Deutschland wollte ich nicht so gerne feiern, denn Tage wie diese muss man einfach mit echten Mexikanern verbringen.
Aus diesem Grund bin ich am Samstagabend bei meinem Kumpel Serjio angekommen. Ich war mit einer Decke bewaffnet, die ich extra für “die Spalte” mitgebracht hatte. Ich würde diese Decke später so in die Schlafcouch einarbeiten, dass eine adäquate Schlafstätte entstand. Das funktionierte auch und nach ein paar Runden Kartenspielen sind wir dann auch schon schlafen gegangen. (Wobei ich in dieser Nacht trotzdem nicht schlafen konnte. Dieses Mal war der Grund dafür allerdings nicht mehr „die Spalte“ sondern wohl mehr meine Nervosität GDL das erste Mal zu verlassen.)
Morgens um 6 haben wir uns dann fertig gemacht und sind mit dem Bus nach Lagos de Moreno aufgebrochen. Die Reisebusse hier sind erstaunlich komfortabel.
Ich dachte schon, dass die Reisebusse in Deutschland gut wären, aber in Mexiko sind sie wesentlich besser ausgestattet. Man hat mehr Platz, es gibt zwei Toiletten, es gibt ein Lunchpaket und es ist obendrein auch noch günstiger. Für eine Strecke von knapp 300km nach Lagos habe ich nur 13€ bezahlt.
Die Fahrt war aber aus einem anderen Grund ein echtes Erlebnis. Ich habe die erste Stunde ununterbrochen den Sonnenaufgang über der mexikanischen Landschaft bestaunt. Die Gegend um Guadalajara ist gesäumt von Hügeln, Schluchten und südländischer Vegetation. Ich habe mir vorgestellt, wie wunderschön es sein muss hier wandern zu gehen.
In Lagos angekommen ist mir erst mal aufgefallen, dass es dort wesentlich kühler ist als in GDL. Das liegt daran, weil es wesentlich höher liegt. In den Wintern kann es in dieser Gegend sogar zu Schneefall kommen aber ich habe mir sagen lassen, dass das wirklich die Ausnahme sei.
Wir haben dann als erstes einen Kumpel dort besucht und hier war ich das erste Mal schockiert, wie viel Armut es in Mexiko gibt.
Das Viertel in dem sein Roomie und Freund lebt ist unglaublich verwahrlost. Die Straße ist an unzähligen Stellen vollkommen zerstört und meistens noch nicht einmal geteert. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es bei starkem Regen möglich ist ohne Probleme das Viertel zu durchqueren.
Als ich das ziemlich schäbige Haus betreten habe wurde ich von einer herzlichen mexikanischen Familie empfangen und habe mich sofort wohl in der Gemeinschaft gefühlt.
Den größten Teil der Wohnung machte ein Raum aus, der gleichzeitig Küche, Büro, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bäckerei und Strickerei war. (Obwohl: Eine Strickerei gibt es gar nicht, oder? Wie hieß es noch gleich? Stofferei? Hemderei? Schneiderei?)
In diesem multifunktionalen Gemach hielt sich eine nicht unbeträchtliche Menge an Töpfen, Sofas, Menschen, Nippes und anderen Gerätschaften auf.
Ich ließ mich also auf dem Stuhl an einem Esstisch nieder und weil ich ja Ausländer bin, wurde mir sofort alles mögliche an Nahrung aufgetischt. Nicht nur Tacos, sondern z.B. auch Tamale, was eine Art Teig in Mais oder Bananenblättern ist. Der Teig wird entweder scharf oder süß serviert. Ich entschied mich für die süße Variante und fand es überraschend lecker. Ich gebe zu, dass ich bei allen Nahrungsmitteln hier erst etwas skeptisch war ob es jetzt auch wirklich produktiv ist, wenn ich das Zeug zu mir nehme. Ich will später auch nicht mehr detaillierter auf die “Nachwirkungen” dieser Mahlzeit eingehen.
Nach etwa einer halben Stunde war ich allerdings so vollgefressen, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Doch die Mexikaner haben mir weiterhin Essen serviert und ich musste mich ein bisschen dagegen wehren, was auf Spanisch nicht so einfach war. Ich wollte schließlich nicht unfreundlich wirken.
Während dem Essen stießen ununterbrochen Freunde, Cosins, Onkel, Tanten, Neffen, Schwager, Schwägerinnen, Schwippschwäger, Schwappschwuger (und was es sonst noch alles gibt) zu der Gemeinschaft oder verabschiedeten sich wieder. Es ging ziemlich chaotisch zu, doch das störte niemanden. Für mich war es ehrlich gesagt etwas anstrengend. 🙂
Jedenfalls ist mir an diesem Tag noch einmal bewusst geworden, wie unwichtig ein hoher Lebensstandard ist, damit Menschen glücklich sind. Denn alle Leute, denen ich hier begegnete machten einen sehr fröhlichen Eindruck und lachten sehr viel.
Ein älterer Herr erzählte beispielsweise mit großer Begeisterung die Erfahrungen, die er mit scharfem Essen und seinen “Nachwirkungen” auf der Toilette hatte. Alle prusteten los und eine ältere Dame schien fast zu ersticken.
Leider verstand ich von der Geschichte überhaupt nichts und daher war ich auch der Einzige, der ernst blieb. Erst als mir Serjio noch einmal langsam alles erklärte musste ich dann auch grinsen und alle anderen lachten dann einfach auch noch ein zweites Mal mit mir über dieselbe Geschichte.
Das war an diesem Wochenende übrigens sehr oft der Fall. Fast alle wichtigen Informationen “übersetzte” Serjio noch einmal in langsamen Spanisch für mich.
Nach dem Essen haben wir dann noch seine Großeltern besucht bei denen jeden Tag die ganze Familie zusammen isst. Seine Oma ist bereits sehr alt, sehr klein und hat einen Vogel.
Also als Haustier.
Sie hat neben mir auf einer Couch gesessen und mir alle möglichen Fragen gestellt. Leider hat die gute Frau eine so knatschige Stimme, dass ich genau gar nichts verstehen konnte. Ich habe also immer nur höflich genickt während sie irgendwas erzählt hat und sobald sie eine Frage stellte habe ich einfach irgendwas von mir erzählt, wo ich dachte, dass es sie eventuell interessieren könnte. Die Strategie funktionierte.
Gegessen habe ich hier zwar nichts, aber ich habe stattdessen ein mexikanisches Bier mit Zitrone und Salz zu mir genommen, was scheinbar irgendwie zur Kultur hier gehört.
Und später habe ich mir dann das Haus angesehen in dem Serjio lebt und ich dem ich die Nacht verbringen würde.
Auf der Autofahrt war ich etwas nervös. Was wenn Serjios Familie ebenfalls nur einen Raum hatte? Was wenn ich die Nacht auf einer Isomatte in einem Chaos aus stillenden Müttern, Töpfen und einem reinrassigen Rüdendackel verbringen musste, der an meinem Fußende abwechselnd sein Revier markierte oder seinen Frischlinge stillte?
Was wenn die mexikanischen Frauen ihren endlosen Redeschwall nachts nicht unterbrachen und das ganze Getöse permanent so weiter ging? Ich hatte schon die letzte Nacht nicht geschlafen und brauchte unbedingt meine Ruhe.
Doch meine Angst stellte sich als Unsinn heraus: Das Haus war sehr groß, sehr sauber und ordentlich, sehr neu und vermutlich auch sehr teuer.
Ich bekam hier ein eigenes Zimmer für mich mit einem Bad und einem ziemlich großen Bett. Von diesem plötzlichen Luxus war ich so überrascht, dass ich es immer noch nicht ganz fassen kann. Noch nie wurde mir der Kontrast zwischen arm und reich so stark bewusst, wie in Lagos.

León
Nachmittags geschahen zwei Dinge:
1. Ich wurde noch müder und war so voll von neuen Eindrücken und Gesprächen, dass ich den Eindruck hatte dringend mal allein sein zu müssen.
2. Ich wurde von der ganzen Familie nach León eingeladen was ich dankend annahm.
Also saß ich kurze Zeit später in einem geräumigen Fahrzeug und wir machten uns auf den Weg nach León. Das ist eine Stadt, die sich bereits in einem anderen Bundesstaat befindet. Ich verließ also dieses Wochenende nicht nur GDL sondern auch Jalisco zum ersten Mal.
Nach einer Autofahrt von etwa zwei Stunden kamen wir dann auf einem großen Gelände an auf dem es eine Vielzahl Ausstellungen, Museen, Attraktionen und Spiele gab. Alles das passte natürlich gut zum bevorstehenden Nationalfeiertag.
Das Resultat der ganzen Sache war dann, dass ich irgendwann todmüde in der Eingangshalle eines Museums stand und nur noch allein sein wollte. 🙂 Und fast als ob irgendein Mexikaner mich ärgern wollte, begann im nächsten Moment auch gleich eine laute, mexikanische Musik.
Es begann zu tröten, zu wummern, zu trompeten, zu klatschen, zu applaudieren und die ganze Zeit wurden mir von allen möglichen Seiten historische Fakten aus übersteuernden Lautsprechern mitgeteilt. Es hätte auch Chinesisch sein können.
Serjio und seine Familie sahen mich die meiste Zeit erwartungsvoll an.
Ich war auf der einen Seite total dankbar, dass ich mitkommen durfte, doch auf der anderen Seite hatte ich den Eindruck ihren Erwartungen, die ganze Zeit grenzenloses Interesse zu zeigen, nicht ganz entsprechen zu können. Ich will ehrlich sein: Unser Ausflug war mir zu viel.
Nach gefühlten vier Stunden kreativ erzählter Geschichte sind wir dann zusammen etwas essen gegangen und waren sogar noch im Kino. (Dieser Tornadofilm)
Im Kino konnte ich mich das erste Mal etwas erholen und musste auch kein Spanisch mehr sprechen. Und weil die Filme hier alle in Englisch gezeigt werden, konnte ich sogar die Handlung verstehen. (Wobei die auch nicht schwer war: Es ging um Leute, die anderen Leuten dabei halfen vor Tornados zu fliehen. Dabei starben einige und andere überlebten. So wie es halt immer ist in diesen Filmen.)
Und dann um 1 Uhr nachts durfte ich endlich in mein Bett und der Tag war geschafft.
Es war ein sehr interessanter Tag gewesen, doch leider etwas anstrengend für mich. Eine Nacht Schlafmangel und permanente Versuche Spanisch zu sprechen waren dann doch etwas zu viel.
Die “Melonas”
Am nächsten Tag erwachte ich ausgeschlafen in meinem eigenen Zimmer und hatte endlich wieder neue Energie.
Ich fuhr mit der Familie zusammen in ein Café, wo ich zu Hotcakes eingeladen wurde. Hotcakes (Pfannekuchen) sind hier sehr beliebt zum Frühstück. Genau wie “goldene” Tacos, die eigentlich ganz normale Tacos sind, nur eben ziemlich kross und in viel Fett gebraten. (Nicht so mein Ding)
Dort wurde ich beim Frühstück das erste Mal von Serjios Mutter ausgefragt, was mir an Mexiko alles gefallen würde.
Ich kannte die Antwort auf diese Frage schon fast auswendig, denn das werde ich oft gefragt: “Ich mag das gute Wetter, die Sonne, die offenen Menschen, die Pflanzen und die Früchte.”
Anschließend wollte ich ihr zudem erklären, dass ich die Wassermelonen hier ebenfalls sehr lecker finde. Ich wusste aber den Begriff für “Wassermelone” nicht und habe somit einfach geschätzt, dass es irgendwie “Melona” heißen müsste. Ich hatte mir vorher schon oft spanische Wörter “ausgedacht” und in vielen Fällen hatte das auch geklappt. Ich bastle dann einfach ein Deutsches Wort so um, dass es „spanisch“ klingt. (z.B. Papagayo = Papagei)
Somit habe ich am Schluss noch schnell hinzugefügt: “Y me fascinan los melonas grandes” = “Ich liebe die großen Melonas”
Dabei machte ich mit den Händen eine Geste, die große Kugeln beschrieb, denn ich war ja nicht sicher ob die gute Frau auch verstehen würde. Sie hat aber nicht verstanden, sondern mich nur total entgeistert angestarrt. Die Miene einer alten Dame, die mir bisher immer salbungsvoll zugelächelt hatte, versteinerte sich plötzlich.
Ich war etwas verwirrt und sah Hilfe suchend zu Serjio hinüber. Er schien es auch nicht gut zu finden, was ich da gerade vor seiner Familie preisgegeben hatte. Ich sagte also etwas kleinlaut: “Ich meine diese großen Früchte, die innendrin rot sind.”
Plötzlich musste Serjios Mutter anfangen zu lachen. Sie spuckte fast ihr ganzes Frühstück über den Tisch und hat sich einfach nicht mehr eingekriegt. Mit ihr zusammen fingen alle anderen auch an zu lachen und Serjio schließlich auch. Ich verstand das nicht und lächelte nur etwas unbeholfen.
Später erklärte Serjio mir, dass “Melonas” hier umgangssprachlich für “Brüste” steht. Ich hatte also buchstäblich gesagt: “Ich liebe die großen Brüste hier.” Peinlich.
Mich erinnerte diese Erfahrung etwas daran, als ich in den USA einmal ein Schild von einer Eisteewerbung gesehen hatte auf dem in großen Lettern prangte: “The sweet satisfaction.”
Ich hatte damals aber nicht gewusst, was satisfaction heißt und war knallhart in den Laden gewandert und hatte gesagt: “I’d like to get the sweet satisfaction.”, womit ich den Eistee gemeint hatte. Natürlich kommt es in den USA auch nicht so gut, wenn man zu einer fremden Dame sagt: “Ich hätte gerne die süße Befriedigung.”
Wie es scheint muss ich solche Situationen über mich ergehen lassen, wenn ich versuche eine neue Sprache zu lernen. Mir geschah etwas Ähnliches hier auch kurze Zeit später noch einmal. In Spanien gibt es das wichtige Wort: coger, was soviel heißt, wie “nehmen, greifen, fassen”. Es gehört zu den wichtigsten Vokabeln.
In Mexiko wird dieses Wort allerdings nur vulgär verwendet. Ich habe vor kurzem einem Kumpel meinen Pullover gegeben und dabei gesagt: “Cogelo” – “Nimm das”.
Er hat dann geantwortet “mach doch selbst.”
Ich habe nicht verstanden und noch mal gesagt: “Cogelo, por favor” – “Bitte nimm das”.
Er hat wieder geantwortet, dass er das aber nicht wollte. Erst später habe ich dann begriffen, dass “cogelo” in Mexiko aber bedeutet: “F*** das.”
Was ich in Deutschland also hinter einer Fassade bierernster Prüdheit verbergen kann, kommt hier in Mexiko in ganzer Pracht zum Vorschein. Ganz egal ob ich nun will, oder nicht. 🙂
Kurze Zeit später haben wir uns noch weitere Museen angeschaut und sind durch die ganze Stadt gezockelt. Es war ein wirklich toller Tag, wo ich eine Menge gelernt habe. Wir waren auch in einem Geschäft, wo man Holzäpfel kaufen konnte von denen einer über 1000 Euro kostet. Sollte der Euro eines Tages den Bach runter gehen weiß ich also jetzt, wie ich mein Geld anlege: Ich kaufe einfach hunderte dieser hölzernen Äpfel.

Trinkspiele
Abends ging es dann zurück nach GDL wo ich eine Menge Freunde von Serjio kennen gelernt habe. In jeder Stadt gibt es am Abend des Nationalfeiertages ein Ereignis, was Grito genannt wird. Hier spricht der Bürgermeister der Stadt vor einer großen Menschenmenge und schließlich müssen alle schreien Viva México!
Zu diesem Grito wollten wir natürlich auch, doch weil Mexikaner allgemein unorganisiert sind waren wir leider viel zu spät. Ich verpasste also den berühmten Grito und muss mir jetzt wohl ein Youtubevideo davon angucken. In der Nacht wollten die Mexikaner mich zudem zu zwei Dingen überreden, die ich wirklich gar nicht kann:
1. Sie wollten, dass ich tanze.
2. Sie wollten, dass ich ein Trinkspiel spiele.
Beides wollte ich nicht, aber trotzdem habe ich mich irgendwann mit einer angetrunkenen Mexikanerin auf der Tanzfläche gefunden, die mir unbedingt einen wichtigen Tanz der Los Angeles Azules beibringen wollte. Das ist die vermutlich bekanntestes mexikanische Band hier. Es existiert noch ein Video, aber es sollte lieber nirgendwo veröffentlicht werden. Ich habe wirklich auf voller Linie versagt. (Korrektur: Das Video existiert doch nicht mehr, weil mein Smartphone weg ist, die Wahl ob es also veröffentlicht wird oder nicht, liegt nicht mehr in meiner Hand.)
Genau wie beim Trinkspiel, wo man sehr schnell spanisch Zahlen erkennen und wiederholen musste. Hätte ich das Spiel wirklich mitgespielt (was alle wollten), wäre ich am nächsten Morgen womöglich neben dieser Mexikanerin aufgewacht (was auch alle wollten). Ich wollte mir diese Peinlichkeit aber ersparen (was keiner wollte) und somit habe ich höflich erklärt ich wollte lieber etwas anderes spielen, wo es nicht ums Trinken ging. (Was auch keiner wollte)
Es wurden zudem gewisse Substanzen konsumiert, die mit Sicherheit kein normaler Tabak mehr waren. Die Mexikaner haben das Zeug in Mohrrüben geraucht (das wollte jeder) doch auch darauf habe ich mich lieber nicht eingelassen (was keiner wollte). Es war dennoch ein sehr schöner Abend und ich habe viel gelacht und gelernt.
Trotzdem war ich froh als ich morgens um halb 7 todmüde in mein Bett gefallen bin. Es waren wirklich sehr anstrengende 3 Tage gewesen.
Der Überfall
Ich hätte zwar nie geglaubt, dass so etwas wirklich passieren kann aber ich bin in der letzten Nacht überfallen worden. Ich war in einer Bar gemeinsam mit einer Gruppe von etwa 30 Personen. Es war ein wirklich toller Abend und ich habe eine Menge neue Freunde gefunden.
Irgendwann nachts hat die Bar geschlossen und viele haben sich auf den Nachhauseweg gemacht. Ich wollte ebenfalls in meine Wohnung, doch die Mexis haben mir gesagt, dass es zu gefährlich sei alleine zu gehen. Aus diesem Grund sind fünf meiner neuen Kumpels mit mir gekommen, worüber ich jetzt im Nachhinein auch sehr froh bin.
Viele waren schon etwas angetrunken und es war eine wirklich lustige “Wandergemeinschaft” bis uns in einer ruhigen Ecke ein paar Typen aufgelauert haben. Es waren drei und das hat so angefangen, dass einer von denen mir mein Smartphone aus der Hand gerissen hat. Ich hatte da aber den Ernst der Lage noch nicht versanden und habe es ihm dann mit etwas Gewalt wieder weggenommen, worüber er sichtlich erstaunt war. Und erst da habe ich dann auch verstanden wieso, denn hinter mir wurde einem meiner Begleiter eine Waffe an den Kopf gehalten. Der Typ, der mein Smartphone weggenommen hatte war auch über meine “Frechheit” jetzt so erzürnt, dass er auch eine Waffe zog und auf mich zielte. Ich habe kurz geglaubt er würde auf mich schießen aber er hat mir nur ziemlich deutlich gezeigt, was er möchte. Dass jemand mich mit einer echten Pistole bedroht, hat mich sehr schockiert. Ich bin obwohl es jetzt schon etwas her ist immer noch total fertig. Ich habe ihm natürlich sofort mein Telefon gegeben, denn ich hatte keine Lust den Rest meines Lebens als Leiche zu verbringen. 🙂 Dann haben sie uns noch gefilzt und auch noch mein Portemonnaie und meinen Rucksack mitgenommen. (Jetzt können die sich mit dem kaputten Reißverschluss an der Seite herumschlagen. :-/)
Als sie all unsere Sachen hatten, haben sie vier von uns gehen lassen. Ich habe sogar noch gefragt, ob sie mir zumindest meine Schlüssel noch wieder geben können und interessanterweise waren die Typen damit sogar einverstanden. Man merkt also: Auch mexikanische Straftäter haben noch so richtig Herz und sind im Prinzip nichts weiter als gutmütige Schlingel, die ein wenig auf die schiefe Bahn geraten sind. (Was der unermüdliche Drogenkonsum in GDL auch nicht mehr großartig verbessert.
Ich durfte mir also meine Schlüssel noch abholen und dann sind wir geflohen. Das Problem war aber, dass sie zwei von uns nicht einfach gehen lassen wollten doch weil sie bewaffnet waren konnten wir auch nichts tun.
Wir sind also zu einer Hauptstraße gerannt und haben dort einen Wagen angehalten, damit jemand die Polizei ruft. Doch als der Fahrer die Lage verstand, hat er Vollgas gegeben und ist einfach abgehauen. Egoistischer Angsthase!
Beim zweiten Auto war es genau dasselbe. Erst waren die Leute freundlich, doch als sie merkten, dass wir ausgeraubt worden waren sind sie ohne uns zu helfen einfach weiter gefahren. Erst mit dem nächsten Fahrzeug hatten wir mehr Glück, denn die haben versprochen die Polizei zu rufen auch wenn sie sich ebenfalls sofort aus dem Staub machten. Wir haben uns dann heulend umarmt und waren ziemlich fertig. (Ich habe noch nie einen heulenden Kerl umarmt, den ich erst seit so wenigen Stunden kenne. Auch mal eine Erfahrung. Ich konnte auch kein Spanisch mehr, sondern musste Englisch reden.)
Etwa 15 Minuten später ist dann die Polizei endlich aufgetaucht, doch haben die uns auch nicht geholfen. Sie hätten uns ja zumindest in eine sichere Gegend fahren können aber die Polizei hier kann man echt vergessen. Viele von denen stecken sogar mit den Banden unter einer Decke. Jedenfalls haben die sich zwar angehört, was wir zu sagen hatten, doch dann sind sie einfach weiter gefahren und haben uns wieder alleine gelassen. Allerdings ist währenddessen der Rest unserer Gruppe wieder aufgetaucht, was eine sehr große Erleichterung war. Wir sind dann alle zu mir nach Hause gelaufen, wo alle bei ihrer Bank anriefen um die Karten sperren zu lassen. Und um 3 Uhr nachts habe ich mich dann endlich in mein Bett fallen lassen und war einfach nur froh, noch am leben zu sein.
Insgesamt beträgt der Schaden für mich jetzt etwa 400€, wobei das Smartphone vermutlich das Teuerste gewesen ist. Ich sehe die ganze Sache als Erfahrung und immerhin habe ich jetzt bis zu meinem Lebensende eine coole Geschichte zu erzählen. 🙂 Das ist ja immerhin auch ein bisschen was wert. Eventuell gehört eine solche Erfahrung auch dazu, wenn man die mexikanische Kultur in ihrem gesamten Spektrum erleben möchte.





