CUCEI – 25. August 2014
Das Centro Universitario de Ciencias Exactas e Ingenierías war heute morgen mein erstes Ziel, und somit startete ich meinen ersten Versuch einen der Busse anzuhalten, wie es hier so üblich ist.
Schon nach kurzer Zeit kam tatsächlich meine Linie 622 und ich habe wild gestikuliert um dem Fahrer zu verstehen zu geben, dass ich mitfahren möchte. Doch irgendwie ist dieser Hospis dann einfach an mir vorbei gebraust ohne mich eines Blickes zu würdigen. (Er kann mich eigentlich in meiner strahlend grünen Hose gar nicht übersehen haben)
Ich habe also auf die nächste 622 gewartet und dieses Mal noch wilder mit allen meinen Extremitäten herumgefuhrwerkt. Dieses Mal hat mich der Fahrer dann auch endlich gesehen, doch das hielt ihn nicht davon ab ebenfalls an mir vorbei zu pesen obwohl der Bus total leer war.
Inzwischen war ich bereits ein wenig angetrinselt und bin dann doch zu einer echten Bushaltestelle gelaufen. Und schon als ich es richtig machte, funktionierte es dann auch und die nächste Linie blieb stehen. Wieso das mit dem Anhalten nicht funktioniert hat ist mir bis jetzt aber immer noch schleierhaft.

Nach etwa 20 Minuten Fahrt kam ich dann schließlich beim CUCEI an. Es handelt sich hierbei um einen ziemlich großen Campus der von einem hohen Sicherheitszaun umgeben ist. Den Zaun gibt es deswegen, weil die Gegend rund ums CUCEI nur so wimmelt von Mexikanern, die ganz heiß darauf sind den wohlhabenden Studenten ihre Wertsachen abzuluxen. Man sieht hier z.B. immer mal wieder Motorräder wo zwei Personen drauf sitzen. Ein Fahrer und der „Dieb“, der bei voller Fahrt den Studenten ihre Taschen aus der Hand reißt. Man sollte auf diese Bösewichte etwas acht geben.
Damit mir dies nicht geschieht habe ich auch als erstes nachgefragt, ob es nicht okay wäre nackt zur Uni zu kommen. Doch nachdem ich das gefragt hatte wurde mir klar, dass die pfundige Frau am Tresen ja gar kein Deutsch versteht. – Scherz.
Und wo wir gerade beim Thema sind: Es gibt unter den Mexikanerinnen tatsächlich einige Frauen, die ihre Ernährung scheinbar nicht unter Kontrolle haben.
Um es eloquent auszudrücken: Es sind richtige SCHLACHTSCHIFFE auf den Märkten und Straßen unterwegs.
Ich habe mich dann erst mal ein wenig auf dem Campus herumgetrieben und mir die verschiedenen Gebäude angesehen. Ich finde die Uni hier wesentlich schöner als in Siegen, denn der Campus ist ziemlich grün und etwa 70% ist für die Freizeitgestaltung nutzbar.

Es gibt einige Fußballfelder, ein Schwimmbad, Fitnessstudios, Boxerringe und jede Menge andere Dinge, wo man sich abreagieren kann. Alles kostenlos für Studenten nutzbar. Besonders auf die Hantelbänke habe ich bereits ein Auge geworfen um meine (ohnehin schon üppigen) Oberarme verwöhnen zu können.
NICHT!
Als ich mir alles angesehen hatte und genau wusste, wo was ist bin ich ins International Office gegangen um mir meinen Studentenausweis abzuholen. Die Dame, die hier arbeitete war sehr freundlich und nahm sich eine Menge Zeit für mich. Sie erklärte mir beispielsweise alle Dinge noch ein zweites Mal, die ich sowieso schon alle wusste. Und als sie mich dann endlich in die Freiheit entließ schlug sie vor, dass doch zwei Studenten mich über den Campus führen sollten, damit ich noch ein zweites Mal herausfinden konnte, wo alles war.
Und obwohl ich sowieso bereits wusste, wo alles war, angelte sie sich anschließend zwei willkürliche Studenten aus der Menge und trug ihnen auf mir alles, was ich sowieso schon gefunden hatte gleich noch einmal zu zeigen. Hier begann nun „Phase Alpha“.
Und mit „Phase Alpha“ meine ich die Phase in der ich von allem, was mir gesagt wurde nur noch etwa 1% verstand. (Und der eine Prozent ist wirklich euphemistisch ausgedrückt)
Es begann also eine Konversation in der weder ich verstand, was die beiden Jungs mir sagten, noch sie verstanden was ich ihnen sagen wollte. Nach etwa einer viertel Stunde fanden wir alle das aber ziemlich belustigend und setzten unsere symmetrischen Monologe fort.
Nach etwa einer Stunde jedoch begann ich einzelne Wortfetzen der beiden tatsächlich zu verstehen und fand beispielsweise heraus was sie studierten (Maschinenbau). Und auch, dass es „muy fácil“ – sehr einfach sei. Ich erzählte ihnen daraufhin, dass in Deutschland Maschinenbau ein sehr anspruchsvoller Studiengang sei, aber hier ging Phase Alpha sofort weiter und sie verstanden nicht, was ich hatte sagen wollen.
Anschließend ging es darum mir meine WLAN Logindaten im X-Gebäude zu holen. Die beiden Studenten machten sich also mit mir im Schlepptau auf den Weg in ein Büro in dem sich bereits ziemlich viele Menschen tummelten, die alle wild durcheinander schnatterten. Hinterm Tresen saß ein kleiner Mexikaner, dem ich nun versuchte mein Anliegen deutlich zu machen. (Ich verwendete hierbei größtenteils meine Gestik)
Er sagte mir ich solle mir ein Kennwort ausdenken und es auf einer verschmutzten Tastatur eingeben. Ich gab also mein Kennwort ein.
Anschließend forderte er mich auf, mich mit meiner Matrikelnummer und dem Kennwort im Netzwerk anzumelden. Ziemlich zuversichtlich tippte ich also meine Daten ein, doch leider funktionierte das Kennwort nicht. Ich zeigte es ihm und er war sichtlich erstaunt.
Er setzte mein Kennwort zurück und ich versuchte es ein zweites Mal. Es funktionierte wieder nicht. Jetzt gab ich ihm mein Handy und er versuchte es selbst. Doch leider konnte er mit den Deutschen Menüs meines Handys nichts anfangen und gab es mir dann zurück. Ich versuchte mein Kennwort noch einige weitere Male einzugeben, doch immer ohne Erfolg.
Irgendwann meinte der Mexikaner, dass das WLAN mit Smartphones wohl nicht funktioniere und ich ihm morgen meinen Laptop bringen sollte. Natürlich war das totaler Unsinn, aber ich wollte den guten Mann nicht weiter belästigen, also verließ ich das Büro.
Ich verabschiedete mich von den beiden Studenten und atmete einmal tief durch. Phase Alpha war also geschafft. Jetzt konnte ich mir also endlich was zu Essen kaufen.
Ich ging also zu einem kleinen Stand an dem man sich Pizzastücke kaufen konnte. Ich suchte mir eins aus und aß es. Es war nur so halb lecker, aber immerhin stillte es meinen Hunger.
Anschließend machte ich mich mit der Linie 622 wieder auf den Rückweg und war eigentlich ganz zufrieden mit meinem ersten Tag. Ich hatte es geschafft ein echter mexikanischer Student zu werden und war mir sicher, dass ich mit ein wenig Übung die Sprache auch bald besser verstehen konnte. Denn eine Sache hatte ich meiner Meinung nach wirklich gut hin bekommen: Ich wusste eine ganze Menge an Vokabeln. Morgen wird es dann richtig spannend für mich, denn ich habe von 7:00 bis 9:00 meinen ersten Kurs und später von 14:00 bis 18:00 einen sehr ausgiebigen Spanischtest. Hier werden meine Spanischkenntnisse getestet und mein Niveau festgelegt. Ich habe vor dem Test aber keine Angst, weil ich im Lesen und Schreiben meiner Meinung nach schon recht gut bin. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf morgen und der einzige Wehrmutstropfen ist wohl der, dass ich alles andere als ausschlafen kann. Zum Schluss noch das Bild von einem Hund für euch. Inzwischen weiß ich nämlich, warum ich mich gegen Tollwut habe impfen lassen. Einfach, weil hier sehr viele Hunde frei „herumkötern“. Bisher hat mich aber noch keiner gebissen. Die kommen einfach nur und laufen ganz harmlos neben einem her, weil sie sich wohl etwas zu fressen erhoffen.

Der erste Unitag – 26. August 2014
Heute morgen musste ich schrecklich früh aufstehen, denn meine Veranstaltungen fangen alle schon um sieben Uhr an. Also bin ich um halb 6 erst mal unter die Dusche geschlurft und habe danach meine Haferflocken mit Apfel und Banane gegessen. Ich habe während dem Essen glaube ich irgendetwas von Affen geträumt. Es war eine merkwürdige – fast metaphysische Erfahrung. Anschließend bin ich wieder zur Linie 622 gelaufen und habe am Himmel die rosa Wölkchen bestaunt, die einen neuen Tag ankündigten.
In der Uni angekommen suchte ich eine ganze Weile nach dem richtigen Gebäude – ich habe den Orientierungssinn eines Bügeleisens – und fand mich dennoch ziemlich pünktlich in einem etwas schäbigen Klassenzimmer wieder. Davor war ein grinsender Mann mit einem Hochdruckreiniger stationiert, der mich beim Eintreten verheißungsvoll begutachtete.
Hier gab es eine ganze Menge Stühle mit „Tisch“ vorne dran. Wie heißen diese Dinger noch genau? Stuhltische? Tischstühle? Kindersitze? Ist ja auch egal – jedenfalls kam ein wenig verspätet dann auch ein breiter Mann in den Klassenraum gewatschelt, der das typische mexikanische Grinsen einfach nicht unterdrücken konnte.
Es wurde langsam still im Klassenraum und alle sahen gespannt auf meinen neuen Lehrer, der mir auf Anhieb gefiel. Allein schon sein buschiger Schnurrbart war einen Blick wert.
Er stöpselte ein kleines Tablett an einen kleinen Beamer und das unscharfe Bild einer Wiese erschien auf der Leinwand. Nach einigem Gebastel jedoch konnte man schließlich ein kleines Skript erkennen, was den Titel meiner ersten Veranstaltung verkündete. Cool.
Anschließend stellte sich der Mexikaner vor die Klasse und in diesem Moment geschahen zwei Dinge in rascher Abfolge:
1. Der Mann mit dem Hochdruckreiniger begann mit großem Enthusiasmus die Frontseite des Gebäudes mit einer Fontäne frischen Leitungswassers zu versorgen, was einen ohrenbetäubenden Lärm verursachte.
2. Mein neuer Professor begann damit, sehr schnell Dinge zu erklären.
Was genau das für Dinge waren ist mir bis jetzt noch ein Rätsel, aber es hatte irgendetwas mit Computern und Kabeln zu tun. Also mit Kabeln, die man in Computer stecken musste, damit Dinge… geschahen.
Nein ehrlich – es war bei der Geräuschkulisse einfach absolut unmöglich für mich auch nur einen Satz zu verstehen. Leider schienen die Muttersprachler um mich herum damit aber keinerlei Probleme zu haben, denn sie machten sich alle eilig Notizen.
Der Student vor mir nickte sogar die ganze Zeit vor sich hin. Der hatte vermutlich voll den Durchblick.
Nach etwa 15 Minuten kam ich mir etwas doof vor und entschloss mich dazu mir ebenfalls Notizen zu machen. Ich bat meinen Sitznachbarn um ein Blatt Papier.
Dann begann ich damit, die Folie abzuschreiben. Doch schon nach zehn Wörtern wurde mir klar, dass diese Aktivität ausgesprochen sinnlos war. Nach etwa 90 Minuten sahen meine Notizen etwa so aus:

Leider hatte die Reinigungsaktion meines Klassenraumes auch die gesamten 90 Minuten in Anspruch genommen, sodass ich in der Zeit genau ein spanisches Wort gelernt hatte: prestar – etwas leihen. (Weil ich mir ja den Zettel ausgeliehen hatte)
Zum Schluss rief der Professor noch jeden Studenten beim Namen um die Anwesenheit zu überprüfen. Natürlich übersprang er meinen Namen einfach. Ich glaube das lag daran, weil er sich nicht zutraute meinen Nachnamen richtig auszusprechen: Elsner.
Doch somit hatte ich nach der Stunde immerhin noch die Gelegenheit zu ihm zu gehen und ihm zu erklären, dass ich Austauschstudent bin und er mich auf seiner Liste ebenfalls abhaken durfte. Er war damit einverstanden.
Voller Hoffnung, dass ich beim nächsten Kurs eventuell etwas mehr verstehen würde, zockelte ich also zum Gebäude Nr. X, wo meine nächste Veranstaltung stattfinden sollte: Compiladores. Also Compilerbau.
Diesen Klassenraum fand ich dieses Mal ohne Schwierigkeiten. Langsam konnte ich mich orientieren. Doch leider war sowohl der Klassenraum verschlossen, als auch keine Person anwesend. Ich ahnte bereits, dass ich mich irgendwie vertan haben musste. Doch auf meinem Stundenplan stand ganz eindeutig um welche Zeit ich wo sein musste. Und sowohl Zeit als auch Raum stimmten.
Ich entschloss mich also zu warten. Zehn Minuten später tauchte irgendwann ein weiterer Student auf, der neben mir wartete. Ich fragte ihn ob die Veranstaltung ausfallen würde, doch er meinte dann zu mir, dass er auch nicht wüsste, wieso niemand da war. Nach etwa einer halben Stunde war etwa der halbe Kurs vor dem Klassenzimmer versammelt, doch niemand schien zu wissen, wo der Professor blieb. Irgendwann fragten mich zwei der Studenten ob ich mit ihnen etwas essen wollte. Natürlich wollte ich! Spanisch reden und Leute kennen lernen war schließlich einer der Gründe, wieso ich überhaupt hier war. Wir machten uns also auf den Weg zu einem Tacostand und ich bestellte mir einen Taco picante, der angeblich scharf war.
Anschließend stellte ich fest, dass er nicht nur angeblich, sondern wirklich scharf war. In Deutschland bin ich es meistens, der kein Problem mit scharfem Essen hat. Die Mexikaner sehen das scheinbar anders und ich kämpfte in den folgenden 30 Minuten mit den Tränen. Meine beiden neuen Kollegen fanden das scheinbar sehr amüsant und stellten mir eine Menge Fragen über Deutschland. Ich erzählte ihnen eine ganze Menge und auch wenn ich mich sehr unsicher beim Reden fühlte, so kam nach und nach tatsächlich etwas zustande, was ich mal als ein „Gespräch“ bezeichnen möchte. Jedenfalls war das Reden bereits einfacher als am Tag zuvor, wo ich fast nur Bahnhof verstanden hatte.
Wir saßen noch eine Weile auf der Bank herum, doch dann mussten wir uns voneinander verabschieden, denn der Unterricht ging weiter. Wir tauschten allerdings Kontaktdaten aus und ich war froh die ersten Leute kennen gelernt zu haben.
Schließlich machte ich mich dann auf den Weg zurück in meine Wohnung. Dort würde ich kurz Pause haben und dann sofort weiter fahren zu einer Dame namens Yolanda, die mir Spanischunterricht geben sollte. Ich muss ihr dafür zwar 80€ bezahlen, aber ich denke es wird sich lohnen.
Spanischunterricht
Meine Spanischlehrerin lebt etwa 8km östlich von meinem Viertel entfernt und weil ich heute schon viel gelaufen war, entschloss ich mich dazu mit dem Bus zu fahren. Ich sah mir in meiner App die Routen an und fand recht schnell eine passende Linie. Doch leider stellte sich das Busfahren dieses Mal doch als schwerer heraus als geplant, denn die gewünschte Linie tauchte einfach nicht auf. Ich stieg also nach 20 Minuten warten einfach in einen anderen Bus ein, der mich aber nur ungefähr in die richtige Richtung brachte. Somit musste ich einen Großteil der Strecke trotzdem laufen, aber ich hatte genug Zeit mitgebracht, weil ich so etwas schon befürchtet hatte.
Und erst als es dann zu spät war (ich nämlich schon im Klassenraum saß) wurde mir plötzlich klar, dass ich furchtbar großen Hunger hatte. Der Tag war bisher schließlich so aufregend gewesen, dass ich ganz vergessen hatte etwas Richtiges zu essen.
Nach etwa 5 Minuten kam ein blondes Mädchen in den Klassenraum und ich glaubte zuerst, dass sie ein Art „Alien“ sei, denn so ein Mädchen hatte ich jetzt schon ganz lange nicht gesehen. Es stellte sich heraus, dass sie Deutsche war und jetzt zum Arzt musste. Ich wünschte ihr viel Glück und stellte mir insgeheim vor, wie es sein würde, wenn ich einem Arzt auf Spanisch erklären müsste, was mir fehlte. Vermutlich würde ich kurze Zeit später mit einer Diagnose für Schizophrenie und mit nur einer Niere irgendwo in einem Sanatorium aufwachen obwohl ich doch nur Schnupfen gehabt hatte. Nein danke. 🙂
Kurz darauf tauchten noch eine ganze Menge weitere blonde Mädchen auf, die alle aus Österreich kamen. Wenn ich ehrlich bin, so freute ich mich in diesem Moment darüber, dass sie alle bald gezwungen sein würden spanisch zu sprechen, denn das würde ich wohl noch besser verstehen als diesen merkwürdigen Dialekt.
Leider war ich der einzige Junge, denn auch meine Spanischlehrerin stellte sich ganz klar als Frau heraus. Aber ob ich jetzt Junge, Mädchen, Mann oder Frau war, war mir schon kurze Zeit später ziemlich egal, denn ich musste mich furchtbar darauf konzentrieren, was unsere Lehrerin erklärte. Ich stellte erleichtert fest, dass ich ihr Spanisch wesentlich besser verstand als in der Uni. Sie sprach langsam und sehr deutlich und wenn sie ein schwieriges Wort verwendete schrieb sie es an die Tafel. Ich muss sagen, dass ich von der Stunde begeistert war und sehr viel daraus mitnehmen konnte. Die 80€ zu bezahlen empfehle ich jedem, der hier sein Ausstauschjahr macht. Dennoch war ich nach zwei Stunden lernen so hungrig, dass ich sehr froh war wieder in die warme Abendsonne entlassen zu werden.
Ich unterhielt mich noch eine Weile mit einer meiner Mitschülerinnen, die hier in Mexiko Medizin studierte. Davor hatte ich wirklich großen Respekt!
Der „cuchillano“
Danach machte ich mich auf die Suche nach irgendetwas Essbarem. Nach etwa zehn Minuten kam ich an einem Stand vorbei an dem eine sehr alte Frau, neben einem sehr hohen Stapel merkwürdiger Dinger saß. Die Dinger sahen ein wenig aus, wie Pfannkuchen und auch wenn ich keine Ahnung hatte, was das genau war, so wusste ich, dass ich jetzt einfach etwas essen musste.
Doch bevor ich für 12$ einen der Fladen kaufte, fragte ich zuvor: „Qué es eso?“ – „Was ist das?“
Die Frau grinste mich an und entblößte dabei einen einzelnen Schneidezahn. Dann antwortete sie fröhlich: „Estos son cochillanos“. (Das Wort „cochillanos“ habe ich mir soeben ausgedacht, denn ich verstand das, was sie wirklich sagte nicht.)
Ich gab ihr 12$ und sagte, dass ich gerne einen ihrer merkwürdigen cochillanos kaufen würde. Sie grinste jetzt noch breiter und schien sich sichtlich über meinen Kauf zu freuen.
Sie nahm verheißungsvoll einen der Fladen von dem Stapel und fragte mich dann irgendetwas. Ich verstand es nicht und sagte einfach „Sí“. Und dann tunkte sie meinen cochillano ohne Vorwarnung in einen Eimer vor ihren Füßen in dem eine braune Flüssigkeit mit vereinzelten Bröckchen schwamm.
Ich fand das gar nicht gut, doch was hätte ich machen sollten? Schließlich fischte sie meinen durchweichten cochillano wieder aus dem Eimer und verpackte ihn in einer transparenten Tüte. Sie hielt mir die Tüte hin und fragte mich wieder etwas. Dieses Mal sagte ich „No, no“, doch auch das war die falsche Antwort, denn jetzt öffnete sie die Tüte wieder und schüttete noch eine ganze Ladung der braunen Flüssigkeit aus dem Eimer in die Tüte. Anschließend schwenkte sie meine Mahlzeit wild hin und her, damit auch ja der ganze cuchillano gut durchweicht wurde.
Mein Abendessen sah inzwischen so unappetitlich aus, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte etwas davon zu essen. Ich habe für die Nachwelt ein Foto davon gemacht:

Ein wenig verwirrt wanderte ich also mit meiner neuen Nahrungsquelle über einen großen Platz und setzte mich schließlich auf einen Pfosten. Ich befand mich in einer echten Zwickmühle:
Warf ich meinen cochillano weg, so hätte ich sowohl Geld verschwendet als auch die mexianische Kultur mit Füßen getreten. Zudem konnte ich die Frau in der Ferne immer noch grinsen sehen. Sie erwartete natürlich, dass ich ihren cochillano aß. Ich könnte natürlich auch in eine Nebengasse verschwinden und ihren cochillano einfach irgendwo liegen lassen, aber irgendwie tat es mir leid diese Mahlzeit einfach weg zuwerfen. Schließlich war sie mit so viel Liebe zubereitet worden. 🙂
Ich legte die Tüte also auf eine Mauer und öffnete sie dann vorsichtig. So übel sah mein Abendessen eigentlich gar nicht aus. Ich entschloss mich dazu, zumindest ein wenig des cochillanos zu probieren und wenn es zu eklig war, würde ich ihn einfach wegwerfen. Etwas nervös fischte ich einen Teil des aufgeweichten Fladens aus der Tüte und schob ihn mir in den Mund.
Ich war überrascht, dass es tatsächlich lecker schmeckte. Ein wenig, wie Pfannkuchen mit Ahornblütensirup. Ich aß den ganzen cuchillano auf und schleuderte die Tüte, die immer noch von der braunen Flüssigkeit triefte in einen Mülleimer. Geschafft.
Anschließend lief ich satt und zufrieden – und mit etwas mehr kulturellem Kapital – die 8km nach Hause. Den Stress mit den Bussen wollte ich mir an diesem schönen Abend dann doch mal ersparen.
Zum Schluss dieses zweiten Berichtes, hier noch ein paar Bilder mit der entsprechenden Beschreibung:






