Bewusst sein

Bewusst sein

Wenn du einen gesunden Geist haben möchtest, ist der wichtigste Punkt das „bewusst sein“.
Ich meine hier nicht den Begriff „Bewusstsein“ im Sinne eines mentalen Zustandes, denn das ist noch einmal etwas anderes und meint das „phänomenale Bewusstsein“, was in der Philosophie bewusst als „Quale“ bezeichnet wird.
Mit „bewusst sein“ meine ich vielmehr ein Verständnis für die eigenen Gefühle, Handlungen und Gedanken zu entwickeln.
Die meisten Menschen gehen nämlich davon aus, dass dieses „bewusst sein“ ein ganz natürliches Produkt unseres Lebens ist. Das ist ein fataler Irrtum, denn bewusst zu sein muss man lernen. Leider tut das kaum jemand, was dazu führt, dass viele Menschen durch ihr Leben „schlafwandeln“.
Symptome dafür können sein:

  • Ich sehe mich selbst oft als „Opfer“ meiner äußeren Umstände an und schimpfe auf das Leben, die Menschen und die Umstände.
  • Ich mache die anderen dafür verantwortlich, wenn etwas schief läuft.
  • Ich übernehme nur wenig Verantwortung.
  • Ich fühle mich abhängig von anderen Menschen.
  • Ich habe ständig das Gefühl etwas zu verpassen.
  • Ich habe, wenn das Leben zu Ende geht, Angst vor dem Tod.

Ein bewusster Mensch leidet unter keinem dieser Symptome.
Doch welcher Dinge sollten wir uns bewusst sein? Wo können wir konkrete Arbeit leisten?

Motivation

Wenn du etwas tust – ganz egal was – sei dir immer deiner Motivation bewusst. Das mag erst einmal trivial klingen, doch so einfach ist es eben doch nicht.
Wenn du z.B. heute Abend in den Club gehen willst, stell dir die Frage: „Wieso tue ich das eigentlich?“
Du würdest intuitiv vielleicht antworten: „Ich gehe in den Club, weil ich tanzen möchte.“
Nun – an dieser Aussage ist zwar nichts verkehrt, doch sagt sie leider auch nichts aus, denn Clubs sind genau dazu da. Genauso könntest du sagen: „Ich spiele Fußball, um Tore zu schießen.“
Eigentlich sagst du so nur: „Ich gehe in den Club, weil ich in den Club gehen möchte.“, respektive, „Ich spiele Fußball, um Fußball zu spielen.“
Eine etwas bessere Antwort wäre:

  • Ich gehe in den Club, weil mir Tanzen Spaß macht.
  • Ich gehe in den Club, weil ich andere Menschen treffen möchte.
  • Ich gehe in den Club, weil ich eine Frau abschleppen möchte.

Doch hier sind wir noch lange nicht am Ende, denn du bist immer noch nicht bewusst genug. Du hast den Kern noch nicht erreicht, denn:

  • Wieso macht dir Tanzen Spaß?
  • Wieso möchtest du andere Menschen treffen?
  • Wieso möchtest du eine Frau abschleppen?

Beantworte also wieder jede dieser Fragen z.B.

Ich möchte andere Menschen treffen, bzw. eine Frau abschleppen, weil:

  • Meine Freunde das auch machen.
  • Ich mich sonst einsam fühle.
  • Ich gerne Sex hätte.

Oder:

Ich gehe gerne Tanzen, weil:

  • Ich mich gerne bewege.
  • Ich Frust in mir habe, den ich rauslassen muss.
  • Ich die Musik liebe.

Auch hier können wir wieder tiefer gehen:

  • Wieso liebst du Musik? bzw. bewegst dich gerne?, bzw… ???

Deine Antwort könnte sein:

Ich liebe Musik und bewege mich gerne, weil:

  • Ich mich dadurch gut fühle.

Wir sind schon nah am Kern. Was genau bedeutet denn „gut fühlen“ konkret?

Es könnte bedeuten:

  • Ich fühle mich glücklich.
  • Ich kann den Stress der Woche los werden und fühle mich erleichtert.

Du siehst also dass eine Art „Baum“ entsteht, der sich nach unten immer weiter verzweigt. Die Wurzel des Baumes ist immer deine Handlung. Darunter finden sich verschiedene Motive für die Handlung.
Die Blätter des Baumes sind immer – und das ist das Überraschende – Tada! Emotionen!

Wenn du bewusster werden möchtest, solltest du für deine wichtigsten Handlungen einen solchen Baum aufbauen.
Als Regel gilt:
„Der Baum ist genau dann fertig, wenn am Ende eine konkrete Emotion steht.“

Die Blätter des Baumes können also z.B. sein:

  • Ich fühle mich glücklich.
  • Ich fühle mich erregt.
  • Ich fühle mich voller Kraft.

Was du lernen wirst, ist, dass jede deiner Handlungen auf Gefühlen basiert. Außerdem wirst du vielleicht feststellen, dass einige deiner Handlungen totaler Schrott sind und nicht zu der Art Leben beitragen, wie du es dir wünschst.
Nehmen wir noch einmal das Beispiel mit dem Club.
Es mag z.B. sein, dass du erst durch deinen Baum erkennst, dass du eigentlich:

  • … einsam bist und konkret daran arbeiten solltest (das passiert aber nicht im Club)
  • … zu fremdbestimmt bist und tust, was deine Freunde eben auch tun.
  • … du Werten folgst, die nicht deine eigenen Werte sind, sondern die anderer Menschen oder Dogmen (z.B. Religionen)

Ich möchte noch hinzufügen, dass ich nichts dagegen habe in den Club zu gehen. Ich tanze selbst gerne. Aber mit diesem Beispiel wollte ich nur zeigen, wie viel bewusster du werden kannst, wenn du bei allen deinen Handlungen die konkrete Motivation hinterfragst.
Tu das für eine Weile und du hast einen großen Schritt in Richtung Bewusstsein unternommen.

Mut

Es erfordert Mut die eigenen Handlungen so kritisch zu untersuchen, denn es mag sein, dass du dir plötzlich Dinge eingestehen musst, die du von dir weggeschoben hast.
Z.B. kann es sein, dass du feststellst, wie einsam du eigentlich bist oder, dass du dein ganzes Leben ändern solltest. Eine solche Erkenntnis kann bitter sein, doch auf die lange Sicht gesehen wird sie dich sehr viel glücklicher machen, als in dem schrottigen Leben zu versaften, in dem du momentan verweilst. Genauso kann es auch sein, dass du sehr dankbar und glücklich wirst, weil dir noch einmal klar wird, wie gut dir dein Leben gefällt. Alles Mögliche mag geschehen, aber das Ergebnis ist immer eine höhere Stufe an „bewusst sein“.
Genauso mag es auch sein, dass du dir negativer Eigenschaften bewusst wirst, die du erst einmal nicht ändern möchtest:

Nehmen wir noch einmal eine Beispielhandlung:

Handlung: „Ich gehe gleich an die Uni.“

Frage: „Wieso gehst du an die Uni?“
Antwort: „Ich studiere BWL und habe eine Vorlesung.“
Frage: „Wieso studierst du BWL?“

Antwort: „Ich wusste nicht genau, was ich sonst studieren soll. Ich habe meine Leidenschaft noch nicht gefunden.“
Frage: „Wieso hast du deine Leidenschaft noch nicht gefunden?“
Antwort: „Ich habe noch nie so richtig danach gesucht.“
Frage: „Wieso nicht?“
Antwort: „Ich war… zu faul, hatte keine Motivation, habe innere Schranken, die mich daran gehindert haben, traue mich nicht zu tun, was ich eigentlich will, ich habe Angst etwas zu tun, was meine Eltern schlecht fänden…“

Die letzte Antwort beinhaltet wieder Gefühle. Nämlich z.B. Faulheit, Angst, Sorge etc.

Es mag sein, dass du zu ähnlichen Ergebnissen kommst. Du hast also Angst, bist zu faul oder sonst etwas Negatives.
Nun, es ist schon einmal besser, sich dieser Dinge bewusst zu sein und nichts dagegen zu unternehmen, als sich der Dinge erst gar nicht bewusst zu sein. Das mag zwar ein paar negative Emotionen hervorrufen, aber es gibt dir zumindest Klarheit über dein Leben.
Und auch wenn du erst einmal nichts an deiner Situation ändern möchtest, so mag es nicht mehr lange dauern und der innere Druck wird so stark, dass du plötzlich doch genug Kraft hast.
Und dann weißt du sofort, an welchen Baustellen du arbeiten solltest.
Und dann merkst du plötzlich, dass die Handlung: „Ich gehe gleich an die Uni.“ vielleicht gar nicht zu deinem nachhaltigen Lebensglück beiträgt.

Fazit

Für jede Handlung in deinem Leben gibt es eine Ur-Motivation in Form von Emotionen. Sei dir über alle diese Motive in der Tiefe bewusst, bis du bei der zugrunde liegenden Emotion angelangt bist.
Im nächsten Teil soll es um genau diese Emotionen gehen.