Umgang mit Leid

Leid

Unter Leid verstehe ich alle Formen von negativen Emotionen. Also Angst, Wut, Einsamkeit, Rastlosigkeit usw.
Ich habe selbst viel mit negativen Emotionen kämpfen müssen – jeder muss das früher oder später – und dabei habe ich einige Dinge gelernt, die mir sehr geholfen haben:

1. Umarme deinen Schmerz

Wir haben gelernt gegen Schmerz zu kämpfen und im Laufe unseres Lebens viele Schutzwälle gegen ihn errichtet. Zum Beispiel fühlen wir uns schlecht und rufen unseren besten Freund an, damit wir uns nicht mehr einsam fühlen.
Oder wir trinken zwei Gläser Bier, um unseren Stress zu betäuben. Ablenkungen aller Art vom eigenen Schmerz ist der größte Wall, den die westliche Welt uns zur Verfügung stellt.
Du fühlst dich niedergeschlagen? Dann geh doch zu Netflix und schau dir eine Serie an! So machen wir es und so fühlt es sich gut an.
Doch halt! Nicht so schnell. Was geschieht denn hier tatsächlich?

Als ich noch klein war und mein Zimmer aufräumen sollte, habe ich manchmal alle Sachen vom Boden zusammen gekehrt und in einen Schrank gestopft. Die Tür konnte man danach kaum noch verschließen, doch mit etwas Gewalt hat auch das geklappt. Mein Zimmer sah danach Tip Top aus. Doch war es wirklich Tip Top? Natürlich nicht.
In Wahrheit kam der ganze Scheiß früher oder später wieder zurück. Spätestens wenn ich eine neue Unterhose anziehen musste, und somit an meinen Schrank wollte.
Negative Emotionen durch Ablenkung zu betäuben ist in etwa so effektiv, wie meine Aufräumaktionen im Kindesalter. Früher oder später kommt der Schmerz zurück. Leider meistens maskiert durch irgendwelche komischen Symptome, die sich kein Mensch erklären kann.
Viele leiden unter psychosomatischen Problemen. Das sind die inneren, vollgestopften Kleiderschränke, die wir mit uns herumtragen.
Was aber sollten wir stattdessen tun?
Ganz einfach: Umarme deinen Schmerz. Heiße ihn willkommen.
Als ich meine Mama verloren habe, bin ich kurz darauf in den Wald gegangen. Es war Herbst und in meinem Brustkorb hat sich alles wund angefühlt. Ich wusste nicht, wie ich mein Leben noch bewältigen sollte, jetzt wo Mama nicht mehr da war.
Und dann tat ich etwas Verrücktes: Mit Tränen in den Augen sagte ich mir immer wieder: „Willkommen Schmerz… so darf das jetzt sein. So ist es und es ist okay wie es ist.“
Hör auf, deinen Schmerz betäuben zu wollen. Hör auf, dich ständig abzulenken. Lege dich stattdessen auf deine Couch und fühle tief in dich hinein. Wo ist der Schmerz genau? In deinem Hals? In deiner Brust?
Wie fühlt es sich an? Ist es ein diffuses Pochen? Ist deine Kehle eng? Hast du Herzrasen? Mache einen Bodycheck: Traversiere in liebevoller Selbstfürsorge deinen Körper. Heiße deinen Schmerz willkommen.
Ich vergleiche das auch gerne mit elektrischem Widerstand. Wenn Strom durch ein Kabel fließt und das Kabel hat einen hohen Widerstand, so heizt es sich auf und fängt an zu glühen. Genau das geschieht auch mit deiner Seele, wenn du versuchst deinen Schmerz zu unterdrücken. Tue genau das Gegenteil: Werde zu einem Supraleiter für Schmerzen. Supraleiter sind elektrische Leiter, die keinen Widerstand haben. Strom kann zu enormen Mengen fließen, doch dem Kabel geschieht nichts.
Du könntest dich fragen, ob es dir nicht Schaden zufügt, wenn du deinen Schmerz einfach zulässt. Wenn du zum Supraleiter wirst.
Doch das ist nicht der Fall. Das genaue Gegenteil tritt ein: Erst wenn du Widerstand leistest, glüht deine Seele. Erst dann schadest du dir.
Liebe was ist und heiße deinen Schmerz willkommen.

Wenn du dann eine Weile in deinen Schmerz gefühlt hast, kannst du die folgenden zwei Techniken anwenden:

2. The Work – „Lieben was ist“

The Work ist eine geniale Methode, um das eigene Leben so zu akzeptieren, wie es ist. Entwickelt wurde die Methode von Byron Katie, einer Amerikanerin, die jahrelang mit depressiven Episoden zu kämpfen hatte. „The Work“ beschäftigt sich in erster Linie mit der Perspektive auf das eigene Leben.
Diese Perspektive wird durch Gedanken definiert, die wie schon im letzten Artikel erklärt die Ursache für unsere Gefühle sind. Mit Hilfe von „The Work“ wurde schon Millionen Menschen geholfen ihre schweren Lebensumstände so zu akzeptieren, wie sie sind.
The Work ist, wie der Name schon sagt, natürlich wirklich etwas Arbeit, denn es geht darum, die eigenen Gedanken zu analysieren und herauszufinden, wie sie sich auf die eigenen Gefühle auswirken.
Dies funktioniert durch vier Leitfragen, die sich der Mensch stellt.
Ich möchte an dieser Stelle nicht tiefer auf „The Work“ eingehen, doch mir hat die Methode schon zahlreiche Male geholfen, mich selbst besser und in der Tiefe zu verstehen.
Es gibt auch bei Google sehr gute Anleitungen, zum Beispiel diese hier vom Zentrum der Gesundheit.

3. EFT – Emotional Freedom Techniques

EFT hat mir sogar noch mehr geholfen als „The Work“. Als ich das erste Mal von der Methode erfahren habe, ich bin ehrlich, habe ich es für totalen Unsinn gehalten. Doch nachdem ich mehrere EFT-Sitzungen durchgeführt habe, war ich begeisterter als je zuvor.
EFT ist die Methode, mit der du dir in schweren Situationen sehr schnell und effektiv helfen kannst. Es ist außerdem sehr leicht erlernbar und kann überall und ohne fremde Hilfe angewendet werden.
EFT basiert auf der Tatsache, dass es bestimmte Regionen am menschlichen Körper gibt, die ganz besonders stark mit unseren Gefühlen zusammen hängen. Diese Regionen werden dabei durch Klopfen stimuliert.
Auch hierzu werde ich keine Anleitung geben, sondern verweise wieder auf zahlreiche Google-Ergebnisse. Trotzdem möchte ich EFT hier erwähnen, weil es mir schon mehrfach den Tag gerettet hat.
Allerdings war EFT dann am effektivsten, wenn ich mich wirklich grässlich gefühlt habe. Bei schwachen negativen Emotionen hat „The Work“ besser geholfen, denn EFT hat bei mir negative Emotionen schnell auf ein erträgliches Level gebracht, sie jedoch nie (wie versprochen) komplett beseitigt.

Polarisation

Trauer bringt Tiefe. Freude bringt Höhe.
Trauer bringt Wurzeln. Freude bringt Äste.
Freude ist wie ein Baum, der sich dem Himmel entgegenstreckt
und Trauer ist wie die Wurzeln die in das Erdinnere hineinwachsen.
Beides wird benötigt – je höher ein Baum wächst,
desto tiefer verwurzelt er sich in der der Erde.
So wird die Balance aufrechterhalten.
~ Osho

Wie ich schon hier beschrieben habe, gibt es für einen Menschen keine Möglichkeit ständig glücklich zu sein. Menschsein bedeutet immer Puls, bedeutet immer Auf und Ab.
Alles polarisiert: Leben und Tod, Einsamkeit und Gemeinschaft, Kummer und Freude, Langeweile und Geschäftigkeit, Liebe und Gleichsinn, Glaube und Zweifel, Angst und Mut etc. Das Leben ist ein Gesamtpaket, was es zu akzeptieren gilt.
Wenn wir mit der Erwartungshaltung an das Leben herantreten, uns immer gut zu fühlen, werden wir zwangsläufig enttäuscht werden. Unser Gehirn ist auch gar nicht dafür konstruiert in einem ständigen Rausch aus Glücksgefühlen zu baden. Alle Ansätze, die ein solches Ziel verfolgen sind von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Erst wenn wir das verstanden haben, können wir tatsächlich Frieden finden.

Wenn ich mich früher unglücklich gefühlt habe, konnte ich mir schlecht vorstellen, jemals wieder glücklich zu sein. Das ist so ähnlich, wie wenn man mit hohem Fieber im Bett liegt und kaum schafft alleine auf die Toilette zu gehen. Es erscheint einem vollkommen unmöglich, jemals wieder gesund und munter zu werden.
Doch in Wahrheit muss man nur einige Tage warten und ist i.d.R. wieder gesund.
Genauso ist es im Leben auch mit dem Glück. Sogar in einem Leben, was unter optimalen Umständen geführt wird, gibt es Tage, die sich grau und leer anfühlen. Es gibt Niederlagen und Hoffnungslosigkeit.
Doch der Mensch ist ein Stehaufmännchen. Es dauert nicht lange und neue Hoffnung ist da und wir wachen auf und fühlen uns wieder gut (außer das Leid ist pathologisch).
Ich gehe auf das Thema Umgang mit Schmerz hier nicht in die Tiefe, weil andere das sowieso besser können und ich mich viel stärker mit der Frage beschäftigt habe, wieso Leid überhaupt notwendig ist.
Zum Abschluss möchte ich jedoch noch einmal sagen, dass wir erst durch unseren Schmerz, wirklich glücklich sein können. Es gibt kein Licht ohne Schatten.
Und es gibt keine wahre Freude ohne wahre Trauer. Dem Zitat von Osho ist also nichts hinzuzufügen.
Im nächsten Abschnitt möchte ich zurück zu meiner Priorität Nr.1 – der Seele – kommen und mich fragen, was wir tun können, um glücklicher zu werden.